Musikalisches Abenteuer in der Kaserne

Oberbaselbieter Zeitung

Foto Musikalisches Abendteuer in der Kaserne

OLi meets Classic Strings: Der Violist Tom James (69) vom Orchester Liestal begleitet in einer Sinfonie von Mendelssohn-Bartoldy Nachwuchstalente wie den 13-jährigen Jonas Sulzer vom Streichorchester der Regionalen Musikschule Liestal (r. die jugendliche Cellistin Rebekka Hermann).

Orchester Liestal und Nachwuchstalente der Classic Strings beeindrucken im Team

Eine Turnhalle von Soldaten ist als Konzertsaal nicht unbedingt die erste Wahl. Dennoch wurde die Sporthalle der Kaserne in Liestal am vergangenen Wochenende zum Schauplatz eines musikalischen Joint Ventures auf hohem Niveau.

An zwei Tagen hintereinander wagte das klassische Sinfonieorchester samt seinen Mitgliedern aus fünf Kantonen ein Experiment, das begabte Schüler und Schülerinnen der Regionalen Musikschule Liestal in seine Register integrierte. Heraus kam ein Konzert, bei dem Jung und Alt in einer Besetzung von über 50 Mitspielenden ein so schwieriges Werk wie die Sinfonie Nr. 2 der frühromantischen Komponistin Louise Farrenc eindrucksvoll präsentierten. Ein Wagnis sei das gewesen, hatte Yaira Yonne, die Dirigentin der Sinfoniker aus Liestal, zuvor eingeräumt. Umso zufriedener zeigte sie sich nach der Premiere am Samstagabend, als dieses «joint adventure» fast meisterhaft über die Bühne gegangen war. Klar wäre es noch schöner gewesen, wenn auch alle knapp 400 Plätze in der Sporthalle besetzt gewesen wären. Doch das sei nicht entscheidend gewesen. Wichtiger sei zu wissen, wie gut sich «die spielfreudige Erfahrung der Mitglieder vom Orchester Liestal mit der spielerischen Jugendlichkeit der Classic Strings» kombinieren lasse – obwohl Farrenc «mit den hohen Passagen in der ersten Lage, den schnellen Tempi und den vielen Solo-Passagen ein rechter Brocken» gewesen sei.

Dass dieses Projekt dennoch so gut funktioniert habe, sei auch dem Naturell von Musikern und Musikerinnen zu verdanken: «Leute, die musizieren, sind eben gwundrig – egal welchen Alters.» Die künstlerische Leiterin vom Orchester Liestal hofft nun sehr, dass die Kooperation mit dem Streichorchester der Regionalen Musikschule Liestal zugleich auch ein Stück Nachwuchsarbeit gewesen sei. Eine Hoffnung, die sie mit Mareile Endhardt verbindet.
Die Amateur-Geigerin spielt selbst in dem Orchester mit und ist seit Februar letzten Jahres auch seine Präsidentin. «Wir würden uns sehr freuen, wenn Mitglieder der Classic Strings nach den Konzerten Lust haben, weiter mit uns zu musizieren», sagt sie. Zwar gebe es aktuell keine Nachwuchsprobleme bei ihren Sinfonikern. Doch müsse man «immer wieder junge Musiker in den Orchester-Apparat einbinden», weil es bei Menschen in dieser Altersgruppe durch den Ausbildungs- oder Berufseinstieg immer wieder zu Wechseln komme. Projekte wie «OLi meets Classic Strings» würden dem potenziellen Nachwuchs «einen ersten Vorgeschmack ermöglichen».

16-jähriger Schlagzeuger

Noch ein Vorteil dieser Kooperation zeigte sich bei der Besetzung weiterer Programmpunkte: Die sehr schwierige Streichersinfonie Nr. 7 von Felix Mendelssohn-Bartoldy bewältigten die jugendlichen Streicher und Streicherinnen unter der Leitung ihres Dirigenten Stefan Keller auch dank der Unterstützung dreier Bratschenspieler vom Orchester Liestal. Zudem lieferten Musiker und Musikerinnen des Sinfonieorchesters dem einzigen Solisten der beiden Frühjahrskonzerte – dem 16-jährigen Schlagzeuger und mehrfachen Preisträger Ato Herzig – in dem Musikstück op. 109 des Komponisten Darius Milhaud das Kammerensemble. Für beide Werke gab es ebenso begeisterten Applaus wie die Titus-Ouvertüre von Mozart, die den ganzen Orchestermotor eingangs kräftig in Gang gebracht hatte.

Offen blieb nur die Frage, wie dieses gelungene musikalische Experiment erst in einem echten Konzerthaus geklungen hätte. Stefan Keller, der gemeinsam mit Yaira Yonne das Programm erarbeitet hatte, erklärt dazu, dass es schwierig gewesen sei, in Liestal berhaupt einen Raum für ein so grosses Orchester zu finden. Die Stadtkirche wäre zu beengt gewesen, ergänzt Mareile Endhardt, und andere Säle waren leider schon belegt.

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© Jonas Sulzer
Présenté avec fièrté par violoncello.ch